Die Sonne schiebt sich gerade zwischen den Masten der Segelboote empor. Es ist noch nicht einmal sieben Uhr morgens. Im Hafen von Talamone in der toskanischen Maremma steht Paolo Fanciulli und wartet auf seine Gäste für den heutigen Tag. Auf seinem Boot „Sirena“ nimmt er sie mit zum Fischen. Und zum Essen.
„Hallo! Ich bin Paolo, der Fischer“, sagt er mit einem offen Lächeln im Gesicht, als ob das alles erklären würde. Irgendwie stimmt es ja auch: Der engagierte Fischer ist in der Region bekannt wie ein bunter Hund. Ganz besonders für seinen Kampf gegen den illegalen Fischfang, die Zerstörung und Plünderung des Meeres.
Fischer, Umweltaktivist, Unternehmer, Fremdenführer, das alles vereint Paolo Fanciulli in einer Person. Sein Traum: Die Faszination für nachhaltige Fischerei möglichst vielen Menschen zu vermitteln und den Lebensraum Meer zu schützen und zu erhalten. Hartnäckig und zielstrebig verfolgt er diesen seit fast 30 Jahren.
Was es heißt, vom und mit dem Meer zu leben, das weiß er ganz genau. Schließlich ist er jeden Tag mit seinem Boot unterwegs und nimmt Veränderungen wahr, die anderen verborgen bleiben. Unter der Meeresoberfläche lassen sich Umweltsünden und die Auswirkungen von Profitgier lange verstecken.
Nachhaltiger Fischfang anstatt Ausbeutung und Zerstörung des Meeres. Das ist Paolo Fanciullis Anliegen. Das will er möglichst vielen Menschen näherbringen und zeigt ihnen auf seinem Boot, wie das funktioniert. Bei jedem bedankt er sich, dass sie damit sein Engagement unterstützen.
Kommunikation mit „Händen und Füßen“
Dass Paolo keine Fremdsprache spricht, ist dabei schnell nebensächlich. Mit so viel Leidenschaft und Offenheit lebt er seine Aufgabe, dass er es fast mühelos schafft, sich verständlich zu machen. Fotos und gesammelte Zeitungsartikel helfen dabei. Die Worte sprudeln geradezu aus ihm heraus. Unterstützt von ausgeprägter Gestik und Mimik.
Zuerst wird die Angelschnur aus dem Meer geholt. 1 km ist sie lang, alle paar Meter ist ein Haken mit einem Köder angebracht. Am Vortag kommt sie ins Meer, nun schauen die Gäste Paolo interessiert über die Schulter, was so alles angebissen hat. Sorgsam wird die Schnur eingeholt, Haken für Haken fixiert, bis alles in einer Holzkiste liegt und auf den nächsten Einsatz wartet. Alles reine Handarbeit. Dass das alles ohne Knoten abgeht, scheint fast ein Wunder. Gut ein Dutzend Fische haben heute angebissen.
Mitmachen erlaubt
Ein Stück weiter markiert eine Boje den Anfang des 1,5 km langen Netzes. Langsam kommt es aus dem Wasser. Im Heck des Bootes sind einige der Gäste damit beschäftigt, Muscheln, Seesterne; Krebse und Fische aus dem Netz zu holen. Mitunter eine gefinkelte Aufgabe. Schollen, Brassen und Barsche sind darunter, aber auch ein großer Oktopus. Paolo erklärt, was was ist, wie es schmeckt und am besten zubereitet wird. Was nicht zum Essen geeignet ist, wandert zurück ins Meer. Der Einsiedlerkrebs, die Seesterne und sehr kleine Fische werden kurz bestaunt und dann wieder in die Freiheit entlassen.
Pause am Naturpark-Strand
Apropos Freiheit: Mit dem kleinen Beiboot fährt Paolo uns für eine Pause an den Strand. Dieser gehört zum Naturpark Maremma und ist nur per Boot oder durch einen langen Fußmarsch zu erreichen. Wunderschön und wild ist er, mit weiß gebleichtem Treibholz am Strand, sanften Dünen und dem grünen Blätterdach der Pinien im Hintergrund.
Tafeln am Fischerboot
Während wir Strand und Meer genießen, wird am Boot weitergearbeitet. Als wir zurück an Bord kommen, ist eine lange Tafel aufgebaut. Antipasti, Schinken, Käse, Brot und Wein gibt es. Als Nachtisch werden frisch geerntete Feigen serviert. Alles bio und aus der Region. Nachhaltigkeit endet für Paolo nicht an der Küste. Für ihn ist das selbstverständlich, um authentisch zu sein.
Wir genießen und das Boot macht sich langsam auf den Rückweg zum Hafen. Paolo arbeitet währenddessen weiter. Er putzt die Fische und bereitet sie fürs Essen bzw. zum Verkauf vor. Bei ganztägigen Bootstouren wird direkt an Bord gegrillt. Die meisten Gäste kommen aber abends zu Paolo nach Hause. Dort bereitet er den Fang des Tages für sie zu. Und wer könnte das besser als jemand, der Tag für Tag mit den Fischen zu tun hat? Eben, daher ist das auch ein ganz besonderes kulinarisches Erlebnis.
Projekte gegen illegale Fischerei und für ein Meeres-Schutzgebiet
Paolo Fanciulli hat zahlreiche Umweltprojekte ins Leben gerufen. Es ist der industrielle und oft illegale Fischfang, der die Fischbestände plündert, den Meeresboden durch eigentlich verbotene Schleppnetzte zerstört und das gesamte Ökosystem bedroht. Die Küstenregion ist besonders sensibel, denn hier vermehren sich die Fische.
Die Gleichung ist ganz einfach: Was aus dem Meer herausgeholt wird, muss wieder nachwachsen können, sonst ist die Lebensgrundlage der Fischer irgendwann dahin. Dass das Gleichgewicht aus der Balance geraten ist, spüren große wie kleine Fischer längst.
Gesetze werden zu wenig kontrolliert
Gesetze gegen die Raubfischerei gibt es: Innerhalb von drei Meilen vor der Küste bzw. bis zu einer Meerestiefe von 50 Metern darf mit Schleppnetzen nicht gefischt werden. Allein, es scheitert an der Kontrolle. 8000 Kilometer an italienischer Küste zu kontrollieren, das ist kein Kinderspiel und vielleicht, so könnte man vermuten, fehlt es manchmal auch am Willen dazu.
Wer erwischt wird zahlt eine Strafe von etwa 1000,- Euro, während der Fang oft tausende Euro wert ist. Auch ist zwar das Benützen der Netze, nicht aber der Besitz oder Transport dieser verboten. Das macht es beinahe unmöglich, wirksam dagegen vorzugehen.
Nicht allen gefällt das Engagement des Fischers
Mitte der 1980er Jahre beschloss Paolo Fanciulli etwas gegen die illegale Fischerei zu unternehmen. Bis heute wird das nicht von allen begrüßt, schließlich leben viele Familien in der Gegend genau davon. Drohungen gibt es immer wieder und die Mafia, so erzählt er, habe ihn aufgrund seines Engagements von allen Fischversteigerungen ausgeschlossen. Seinen Fang muss er daher großteils privat verkaufen.
Demonstrationen, Petitionen, Blockaden, Anzeigen. Unzählige Initiativen hat Paolo Fanciulli mal alleine, mal mit Umweltorganisationen, Vereinen und anderen engagierten Menschen gesetzt, um den Forderungen an die Politik mehr Nachdruck zu verleihen. Bis zum Jahr 1994 hat es gedauert, bis erste Schritte zur Regelung des Schleppnetzfanges durchgesetzt waren. Die Ressourcen zur Kontrolle fehlen bis heute.
Mit Betonblöcken gegen Raubfischerei
Der Einsatz hat sich dennoch gelohnt, denn Fanciulli hat mit seinen Aktionen die öffentliche Meinung entscheidend beeinflusst. Inzwischen hat er hunderte Menschen hinter sich und auch den Entscheidungsträgern ist klar, dass Küste und Meer Schutz brauchen.
Der erste wirklich große Erfolg im Kampf gegen die Umweltkriminalität kam im Jahr 2005. Vor der Küste wurden große Betonelemente im Meer versenkt. Eine wirkungsvolle Barriere, denn die verbotenen Schleppnetze verhängen sich darin und zerreißen. Allerdings: Die öffentlichen Gelder reichten nicht für ein komplettes Schutzgebiet. Paolo hat Spenden gesammelt, bis schließlich ein Gebiet entstanden war, in dem illegale Fischerei praktisch unmöglich ist und sich die Fischbestände erholen können.
Manchmal, so Paolo Fanciulli, sei der Kampf für den Lebensraum Meer schon ermüdend. Dass er so viele Menschen hinter sich weiß und sich Schritt für Schritt Erfolge einstellen, gibt ihm aber immer wieder die Kraft dafür. Er wird weiterkämpfen.
Wer in der Gegend ist und mit Paolo auf Fischfang gehen will, findet hier aller Informationen.
Das aktuelle Projekt heißt „Haus der Fische“ und ist ein Unterwasser-Kunstgarten mit Skulpturen aus Marmor. Ziel ist es ein durchgehendes Schutzgebiet an der Küste einzurichten.
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