Manchmal werden Kleinmädchenträume wahr. Es ist noch dunkel, als wir an diesem Herbstmorgen aus dem Bett kriechen. Das Bett befindet sich in einem Campingbus, den wir, um rechtzeitig da sein zu können, am Parkplatz im Dorf Alberese abgestellt hatten. Ein schneller Kaffee muss sein, dann kann es losgehen.
Die Maremma ist eine sehr ursprüngliche, wilde Landschaft im Süden der Toskana. Dicht bewachsene Hügel, Pinienwälder, Naturschutzgebiete, Spuren der Etrusker, Wein, Olivenhaine und wunderschöne Strände gibt es hier. Und eben echte Cowboys, die hier allerdings Butteri heißen. Natürlich wird in der Landwirtschaft mit Maschinen gearbeitet, die Butteri sind aber nach wie vor mit Pferd im traditionellen Einsatz. Sie sehen nach den halbwild lebenden Rinder- und Pferdeherden, reparieren Zäune, fangen ausgebüchste Tiere ein. Wer reiten kann, darf sie bei ihrer Arbeit begleiten und ein bisschen mithelfen.
Treffpunkt ist um 7 Uhr morgens. In der Sattelkammer riecht es nach Leder, Sattelseife und getrocknetem Pferdeschweiß. Es ist wohl auch ein Hauch Testosteron dabei. Denn eines ist klar: Das hier war und ist ein Männerjob, Frauen werden nur geduldet. Blöd nur, dass der Großteil der pferdebegeisterten Menschen Frauen sind. Und so stehen wir hier: Zwei Butteri und vier Frauen.
Die Pferde werden eingefangen, begrüßt, geputzt, gesattelt und gezäumt. Von den Männern freilich. Wir werden höflich gebeten uns nicht einzumischen. Langjährige Erfahrung hin oder her. Für alle nicht-Pferdemenschen sei ergänzt, dass es sich seltsam anfühlt, wenn man ein Pferd fertig hergerichtet hingestellt bekommt und es so wieder abliefert. Den Butteri muss man aber zugutehalten, dass sie sehr auf die Pferde bedacht sind. Es sind Gefährten, mit denen sie mehrere Stunden pro Tag unterwegs sind.
Sie verwenden eine spezielle Ausrüstung, mit der nicht jeder auf Anhieb umgehen kann. Die strohgepolsterten Sättel sind riesig und schwer, haben vorne einen großen Wulst und sind hinten hochgezogen, was sie auch bei langen Ritten sehr bequem macht. Die Zäumung ist ähnlich wie beim Westernreiten mit langen, an den Enden offenen Zügeln. Die Pferde werden hier gezüchtet. Die „Maremmanos“ sind eine eigene Rasse. Mittelgroße, meist braune, kräftige Tiere, temperamentvoll, gelehrig und mit riesigen Hufen, die sich gerade im Sumpfgebiet als praktisch bewährt haben.
Die Butteri helfen uns sogar beim Aufsteigen, überzeugen sich kurz, dass wir tatsächlich reiten können und klären – halb englisch, halb italienisch – einige grundlegende Dinge mit uns. Dann starten wir in den Naturpark. Die beiden Männer auf ihren Pferden voran. Ein Bild das, durchaus eine gewisse Wild-West-Romantik in sich trägt. Nur das Klischee von den einsamen, schweigenden Männern muss hier absolut widerlegt werden. Unentwegt wird geplaudert und gelacht, ab und zu Instruktionen über die Schulter nach hinten gerufen.
Erste Aufgabe ist es, eine Pferdeherde von einer Koppel in die nächste zu treiben. Weiter geht es durch den Naturpark, wo eine der eleganten weißen Kühe ausgebrochen ist und von einem Butteri wieder eingefangen werden muss. Als Arbeitsgerät haben sie immer einen langen Stock bei sich, mit dem Zäune geöffnet und geschlossen und sonst allerlei angefangen werden kann. Mittlerweile ist auch das Handy ein wichtiger Begleiter.
Eine Kuhherde kommt auf eine neue Weide. Faszinierend, wie schnell die Tiere reagieren. Wenn man an die richtige Stelle reitet, setzt sich die Herde in Bewegung. Ganz ohne Stress und wie selbstverständlich.
Unterwegs gibt es Wildschweine, Füchse und Hirsche zu sehen, bevor sich der Pinienwald lichtet und wir am Strand des Naturparks angekommen sind. Hierher kommt man nur per Pferd, Boot, oder nach einem langen Fußmarsch. Es ist ei n wilder, naturbelassener Strand mit viel Treibholz und tollem Blick auf die Küstenlandschaft. Ein Highlight für uns, schließlich gibt’s bei uns keine Gelegenheit über einen Strand zu reiten.
Am Rückweg werden im hohen Gras noch einige Ausbrecher gestellt und zurück zur Herde gebracht. Dazu sollen wir ihnen den Weg absperren. Dass wir das im Sprachenmix nicht gleich verstanden haben, wird sogleich gerügt. Das hier ist Arbeit und nur für uns reines Vergnügen. Zum Schluss starten sie aber noch eine Charmoffensive und versichern uns, dass wir sehr gute Hilfs-Butteri gewesen seien. Das wollen wir natürlich gerne glauben. Gegen Mittag sind wir zurück beim Stall und die Pferde werden zuerst von den Butteri kontrolliert und dann auf die Koppel entlassen.
Manchmal werden Kleinmädchenträume wahr. Wobei Erwartung und Realität – wie so oft – nicht immer ganz konform gehen. Das macht aber nichts. Für alle Pferdemenschen ein tolles Erlebnis, das durch die Kombination mit der wunderschönen Landschaft und den Mitmach-Effekt verstärkt wird.
Wer nicht reitet, kann sich die Folklore rund um die Butteri im Sommer bei Roselle in abendlichen Shows anschauen. Ebenfalls sehr sehenswert!
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